Chorleben - S-Chorverband

Interview mit Karolin Zeinert zum Musiktheater-Projekt [uni_sono] freiTraum

Portrait Karolin Zeinert, Sängerin und organisatorische Leitung bei uni_sono freiTraum

Karolin Zeinert, Sängerin und organisatorische Leitung bei uni_sono freiTraum

Das musikdramatische Werk [uni_sono] freiTraum der Deutschen Chorjugend und der Chorjugend im Thüringer Sängerbund erlebte auf dem Chorfest in Frankfurt eine anregende Premiere. Bevor das Projekt im September in Weimar erneut zu sehen und hören ist sprach singen-und-stimme.de mit Karolin Zeinert eine der Initiatoren und Mitorganisatorin.

Karolin, du warst bei [uni_sono] freiTraum, dem Musiktheaterprojekt der Deutschen Chorjugend und der CJ im Thüringer Sängerbund dabei. Was ist dabei deine Rolle?

Zunächst einmal stand ich neben 40 anderen Jugendlichen im Chor auf der Bühne und habe so ganz aktiv an der Uraufführung mitgewirkt.

Darüber hinaus habe ich gemeinsam mit einem kleinen Team das Projekt auf die Beine gestellt, war im Vorfeld für die Logistik, die Kommunikation mit Verbänden und die Planung im Allgemeinen zuständig. Ich denke die richtige Bezeichnung für meine Tätigkeit wäre wohl organisatorische Leitung.

Wie fühlt es sich an ein so aufwendiges Stück mit zehn Monaten Vorbereitungszeit nun endlich auf der Bühne zu sehen?

Natürlich fühlt es sich sehr gut an und es erfüllt mich persönlich mit großem Stolz, dass wir es geschafft haben das Projekt trotz knapper Probenzeit, aber dank enormer Professionalität in solch hoher Qualität zur Aufführung zu bringen.

Aber natürlich mischt sich auch ein wenig Wehmut in das Hochgefühl, wenn nach knapp 10 Monaten, in denen sich eigentlich alles um dieses Projekt drehte, die Uraufführung vorbei ist.

Wie kam die Idee zu [uni_sono] freiTraum? Und wie wurde daraus Realität?

Die ursprüngliche Idee zu unserem Projekt entstand schon vor ein paar Jahren auf der Suche nach einem innovativen Chorprojekt, welches es so oder ähnlich noch nicht gegeben hat. Damals hieß es noch nicht freiTraum und war auch eher ein Hirngespinst, denn uns war nicht so ganz klar in welchem Rahmen sich ein solch großes Projekt umsetzen ließe.

Die Idee selbst ist schnell erzählt: gehörlose und hörende Jugendliche sollen im Rahmen eines musikdramatischen Werkes gemeinsam auf der Bühne agieren, sollen sich zu einem Thema, welches wohl alle Jugendlichen gleichermaßen bewegt, äußern und so schließlich den Wunsch nach einer toleranten und aufgeschlossenen Gesellschaft in den Vordergrund stellen.

Letztlich waren es das Chorfest Frankfurt und die in diesem Jahr stattfindenden „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“, die uns bewogen das Projekt für 2012 endlich in Angriff zu nehmen. Aber die Verwirklichung war natürlich deutlich schwieriger als das jetzt klingt, denn solch ein großes Projekt benötigt nicht nur Helfer und Partner, die dafür brennen, sondern natürlich auch jede Menge finanzielle Unterstützung. Wir sind sehr froh, dass wir diese bekommen haben und so ein richtungsweisendes Projekt auf die Bühne bringen konnten.

Das Projekt [uni_sono]gibt es ja bereits zum zweiten Mal. Warum diesesmal gerade das Thema Freiheit, wo doch heute beinahe alles erlaubt ist?

Der Chor vor der Videowand [uni_sono] freiTraum

Foto: Heike Rieger

Natürlich kann man in Zeiten des modernen Musiktheaters fast alles machen und zeigen, aber ich denke, dass es sehr spannend ist sich einem Begriff zu nähern, der so abstrakt und so schwer zu greifen ist und dennoch immer präsent. Außerdem geht es in unserem Projekt nicht um die Möglichkeit alles tun zu können, eine Definition, die man ja sehr häufig erhält, wenn man fragt „Was ist Freiheit?“. Viel mehr wollen wir die Notwendigkeit innerer Freiheit und damit verbundene Konflikte beleuchten, ein Thema zu dem jeder Jugendliche, ganz egal ob hörend oder gehörlos etwas zu sagen hat

Stichwort Kooperationen. Ihr habt eine besondere Kooperation aus zwei Chören gestartet. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Zu Beginn unserer Planungsarbeit wurden wir auf ein Projekt des Erfurter Gebärdenchores aufmerksam, welches in Erfurt stattfand. Gebärdenchöre waren zu diesem Zeitpunkt auch für uns noch Neuland und so schaute sich ein Teil unseres Teams, zu dem auch der Komponist Christian K. Frank gehört, die Aufführung des Theaterprojektes an und war begeistert. Relativ schnell und unkompliziert kam man ins Gespräch mit den Verantwortlichen und in unserer weiteren Arbeit erlebten wir durch die Erfurter große Unterstützung. Leider konnten viele Mitglieder des Gebärdenchores nicht aktiv am Projekt mitwirken und so kam noch eine Gruppe theaterbegeisterter Jugendliche aus Berlin hinzu.

Der singende Chor ist ja im Prinzip ebenfalls eine Kooperation, besteht er doch zum einen aus Mitgliedern des Konzertchores des Rutheneums Gera, zum Teil aber auch aus deutschlandweit eingeladenen Sängerinnen und Sängern.

Alles in allem ist es einfach toll, wie durch das Projekt und ein gemeinsames Ziel alle in kürzester Zeit zusammen gewachsen sind.

Wie hat die Zusammenarbeit mit gehörlosen Jugendlichen den singenden Chor beeinflusst?

Ich denke vor allem die Körperwahrnehmung und die optische Wahrnehmung ist bei den gehörlosen Jugendlichen deutlich ausgeprägter als bei uns hörenden Sängern und ich denke, dass sich dieses Gefühl auch übertragen hat. Die verschiedenen Gesten sind teilweise so ähnlich, manchmal unterscheiden sie sich zum Beispiel nur durch einen Gesichtsausdruck, sodass man schon ganz genau aufpassen muss. Darüber hinaus ist die Deutsche Gebärdensprache eine sehr emotional geprägte Sprache und es ist einfach schön, die fast schon tänzerischen Bewegungen anzuschauen.

Im Stück selbst „singen“ auch hörende Jugendliche in Gebärdensprache. Habt ihr in der Probenarbeit auch Gebärdensprache gelernt?

Eine kleinere Gruppe der hörenden Jugendlichen war ja auch an der Sequenz der Gehörlosen beteiligt und haben sich entsprechend relativ intensiv mit den Gebärden beschäftigt. Wir anderen haben natürlich immer mal etwas aufgeschnappt und ja auch einige Gesten auf der Bühne gezeigt. Richtig lernen kann man Gebärdensprache in so kurzer Zeit aber nicht, denn wie schon gesagt ist die Deutsche Gebärdensprache eine richtige selbständige Sprache, mit eigener Grammatik und vielen Details, die man sehr genau lernen und trainieren muss. Dennoch hat die Kommunikation im Projekt wirklich gut funktioniert und dabei kamen natürlich Hände und Füße zum Einsatz, wenn auch nicht in tatsächlichen Gesten.

uni_sono ist musikdramatisches Stück, das heißt es ist immer Bewegung auf der Bühne. Wie habt ihr diese entwickelt und wie schafft man es diese so im Kopf zu haben, dass die Musik nicht darunter leidet?

Der Protagonist in der Enge zwischen den ChörenFür die Entwicklung der Bewegungen hatten wir ja tatkräftige Unterstützung durch Regisseur Holger Müller-Brandes und die Choreographin Jungyeon Kim. Viele Ideen sind im Rahmen des vorbereitenden Workshops aber auch direkt im Chor entstanden und so wurde im Laufe der Probenarbeit viel ausprobiert und verworfen. Die Bewegungen trainiert man ja ähnlich wie die Musik immer und immer wieder und irgendwann stellt sich im Kopf eine Verknüpfung beider Ebenen her, sodass eine Bewegung ohne dabei eine bestimmte Stelle zu singen schon fast nicht mehr möglich ist.

In zwei Sätzen, was ist für dich die wichtigste Aussage von [uni_sono] freiTraum?

An dieser Stelle würde ich gern einen Ausschnitt des Librettos zitieren, der für mich ziemlich gut zusammenfasst, was wir sagen wollen:

„Um frei zu sein, benötige ich nichts. Nur meine Sinne. Jeder weiß, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Nicht achten, was die Leute wollen. Nicht lesen, was in der Zeitung steht. Dem eigenen Drang folgen. Frei sein.“

Nach zwei Auftritten in Frankfurt seid ihr mit [uni_sono] freiTraum am 22.09 beim Bundeskongress Musikunterricht in Weimar. Wann führt euch die Tournee in den Schwäbischen Chorverband?

Genau, im September sind wir mit unserem Projekt noch einmal in Weimar zu Gast. Parallel zum Bundeskongress Musikunterricht finden in Erfurt die „Deutschen Kulturtage der Gehörlosen“ statt und wir hoffen sehr, dass einige Besucher von dort auch den Weg ins benachbarte Weimar finden.

Eine Tournee in den Schwäbischen Chorverband: da würde ich ohne mit den Kollegen gesprochen zu haben sofort „ja“ sagen, denn wir würden uns natürlich sehr freuen unser Projekt noch einmal in einem anderen Rahmen vorstellen zu dürfen.

Vielen Dank für das Interview, ich wünsche euch viel Erfolg und Freude bei [uni_sono] in Erfurt.

Das Projekt [uni_sono] freiTraum ist im Internet zu finden unter: http://www.cj-unisono.de/mainpage.php

Im NMZ-Videobeitrag des Chorfestes ab Minute 3:37 ist ein Ausschnitt aus der Frankfurter Aufführung zu sehen.

Johannes Pfeffer, 15. Aug 2012, Chorfeste, Chorpraxis, Jugendchöre, Nachwuchsarbeit, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.

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