Chorleben - S-Chorverband

Die Abendsterne leuchten im ZDF für Baden-Württemberg

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Die „Abendsterne“ aus Ludwigsburg sind ein Musterchor, weniger im Sinne des ungeliebten Musterschülers, sondern als Muster für andere Vereine, für musikalischen Erfolg und für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit im Verein.

Auch die letzte Hürde vor der Sendung haben sie geschafft. Der Jubel bei den Sängerinnen und Sängern des Ludwigsburger Vocalensembles war beinahe grenzenlos: Aus über 1000 bundesweit teilnehmenden Chören wurden nach diversen Castings und redaktionellen Entscheidungsrunden 16 Chöre ausgewählt, um ihr Bundesland und ihre Heimatstadt zu vertreten. Für Baden-Württemberg und die Stadt Ludwigsburg gehen die „Abendsterne“ ins Rennen.

„Damit haben wir nun wirklich nicht gerechnet, auch wenn wir es uns natürlich insgeheim gewünscht haben.“ Jörg Thum, der Dirigent des Chores, strahlt vor Glück. Gerade in Baden-Württemberg, dem Bundesland mit den meisten Chören, war es sehr schwer, sich bis ins Finale durchzukämpfen. Auch der letzte Schritt – das Online-Voting vom 19.-30. Mai auf der Internetseite des ZDF- wird hoffentlich die nötigen vielen tausend Clicks bringen. Denn nur 8 von 16 Chören schaffen es ins Finale. Dann wird ein Kamerateam des ZDF im Juni einen kurzen Film über die Stadt Ludwigsburg drehen, der dann vor dem Auftritt der Abendsterne während der Live-Sendung eingespielt würde.

SINGEN sprach mit Jörg Thum, dem musikalischen Leiter der Abendsterne, über Internet, Teamgeist, Gemeinsamkeiten zwischen Chor und Fußball, erfolgreiches Vereinsmanagement und natürlich auch über ganz menschliche Dinge wie Neid.

SINGEN: Erfolg und Bekanntheitsgrad eines Chores bemessen sich schon lange nicht mehr nach dem Alter. Da haben die Abendsterne mal gerade 13 Jahre zu bieten und wer weiß, ob es den Schwäbischen Chorverband überhaupt noch gibt, wenn sie mal ihre Zelterplakette erhalten. Bekannt ist der, der bei Google ganz vorne steht. Genau dort sind die „Abendsterne“ zu finden, noch vor Venus, Wikipedia,  Richard Wagner und dem gleichnamigen Walzer von Josef Lanner. 7 der ersten 10 Abendsterne gehen nach Ludwigsburg. Ist das nicht wahnsinnig? Jörg, bist  du stolz darauf?

Jörg Thum: Stolz ist vielleicht der falsche Begriff… Mit aller Bescheidenheit: Wir freuen uns, dass unsere Arbeit Früchte trägt. Wir haben in den Anfangsjahren viele Wege eingeschlagen, von denen wir anfangs nicht wussten, ob sie effektiv sind oder nicht. Zum Beispiel das Thema Internet: Vor 13 Jahren war es noch nicht üblich bzw. notwendig, eine eigene Internetseite zu besitzen, heute ist es ohne nicht mehr möglich. Wir haben bereits vor 10 Jahren Eintrittskarten und CDs im Internet angeboten. Gekauft hat das damals kaum jemand, aber wir konnten Erfahrungen sammeln, die es uns heute ermöglichen, einen beträchtlichen Teil an Konzert-Tickets und Merchandising-Artikeln zu verkaufen. Die technischen „Kinderkrankheiten“ wurden im Laufe der Jahre alle ausgebessert. Das bringt uns heute einen Vorsprung. Dennoch ist uns stets bewusst: Auf dem Erfolg auszuruhen ist angenehm und schön, bringt aber langfristig den Stillstand. Kaum eine Woche vergeht, an dem unser Webmaster nicht irgend etwas an der Homepage verändert und verbessert. Kleinigkeiten, die für einen Außenstehenden oft nicht sichtbar sind, aber in der Medienlandschaft unerlässlich werden.
 
SINGEN: Wir wollen das gar nicht wegdiskutieren: Ein Chor steht und fällt mit seinem Chorleiter. Dafür ist es ein Chor. Trotzdem hat man bei den Abendsternen das Gefühl, man hat´s mit einer geschlossenen Mannschaft zu tun. Jeder weiß, was er zu tun hat und alle tun´s. Jogi Löw müsste neidisch sein auf euch.

Jörg Thum: Das „Geheimnis“ (das eigentlich kein Geheimnis ist) der Abendsterne ist auf jeden Fall die geschlossene Mannschaftsleistung: Weder der Chor noch der Chorleiter können alleine das bewegen, was wir uns als Ziel setzen. Das muss allen, auch dem Chorleiter, bewusst sein. Bei uns gibt es Meinungsverschiedenheiten wie in jedem anderen Verein auch, aber wenn es darauf ankommt, stehen alle zusammen wie Pech und Schwefel.

Wir stellen in der Vorstandschaft die Weichen und delegieren dann die Aufgaben an die verschiedenen Gremien. Dort wiederum wird die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt, so dass die Belastung nicht an Einzelnen hängen bleibt. Wir haben uns in den letzten Jahren ein Netzwerk geschaffen, das die Fähigkeiten und Möglichkeiten der einzelnen Sängerinnen und Sänger effektiv nutzt.

Die Parallelen zwischen Chorleiter und Fußballtrainer sind nicht zu übersehen: Als Chorleiter hat man die Aufgabe, die Sängerinnen und Sänger nach einem stressigen Arbeitstag in der Chorprobe abzuholen, ihnen Spaß und Freude am Hobby zu bringen, aber dennoch die volle Leistung abzurufen. Jeder sollte nach einer Chorprobe mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass man etwas mitgenommen hat, dass man weiter gekommen ist. Und schließlich sollte es der Chor-„Trainer“ auch schaffen, seinen Chor auf den Punkt hin fit zu bekommen. Immer das Ziel vor Augen, auch wenn es anstrengend ist. Man wird danach durch ein erfolgreiches Konzert belohnt.

SINGEN: Es gibt Chöre im Schwäbischen Sängerbund, die sind 150 Jahre alt und älter und haben bis heute keinen Kinderchor, keinen Jugendchor, keinen Jungen Chor. Ihr habt nach 13 Jahren den Kinderchor „Sternschnuppen“, den Jugendchor „Starlights“ und mehrere Gruppen der musikalischen Früherziehung: den „Musikgarten“ und die „Sternenkinder“. Die folgende Frage ist theoretisch und klingt rhetorisch: Glaubst du, es wäre alles auch so weit gekommen, wenn ihr als Junger Chor eines 150 Jahre alten Liederkranzes begonnen hättet?

Jörg Thum: Genau kann man das sicherlich nicht sagen, aber die Anfangs-Konstellation bei den Abendsternen war eigentlich perfekt: Da übernimmt ein junger 20-jähriger Chorleiter einen Chor mit zwölf Sängern und krempelt erst einmal alles um. Und alle ziehen an einem Strang…Ich hatte teilweise verrückte Ideen, die mir immer gewährt wurden. Man brachte mir sehr großes Vertrauen entgegen. Es gab keine Traditionen, die wir einhalten mussten („auf diesem Fest singen und bewirtschaften wir aber schon seit 50 Jahren…“). Somit konnten wir uns frei und kreativ entfalten. Wenn wir etwas gemacht haben, ob für den Chor oder auch privat, waren alle da, da wir ja nur 12 Mitglieder waren. Das hat schon sehr zusammengeschweißt…

Die familiäre Stimmung der Anfangsjahre kann man mit der heute inzwischen sehr stark gewachsenen Mitgliederzahl natürlich nicht mehr vergleichen. Dennoch haben sich viele Freundschaften gebildet, die auch heute noch in kleineren Gruppen privat aktiv sind.

Relativ bald haben wir versucht, eine kontinuierliche Nachwuchsarbeit zu schaffen. Angefangen bei den ganz Kleinen, bei denen eigentlich die Eltern die Aktiven sind. Hier wird gelernt, wie man mit seinem Kind singen und musizieren kann. Später kommt dann der Musikgarten, die Sternenkinder, die Sternschnuppen, die Starlights und schließlich der Erwachsenenchor, die Abendsterne.Nicht selten kommt es vor, dass ganze Familien bei uns singen. Und immer, wenn jemand aus dem Jugendchor zu den Erwachsenen übertritt, freut man sich, denn dann hat man es geschafft, ein Kind über das Teenageralter hinweg bis hin zum jungen Erwachsenen für das Singen zu begeistern.
 
SINGEN: Wiedererkennbarkeit ist einer der Schlüssel eures Erfolgs, sowohl musikalisch als grafisch. Wer hat eure CI bzw. euer CD erfunden?
Jörg Thum: Wir haben von Anfang ein Logo entwickeln lassen, das den Stern aus unserem Namen und die Farben des Chores widerspiegelt. Eine Grafikerin, eine Sängerin in unserem Chor, hat nach und nach alles für uns gestaltet, von den Visitenkarten und dem Briefpapier bis hin zu Programmheften, Plakaten und Merchandising-Artikeln. Hier haben wir immer auf gute Qualität und Wiedererkennungseffekt geachtet; das fängt schon beim hochwertigen Druck und gutem Papier an….

Auch die Fotos, die wir für unsere Öffentlichkeitsarbeit und das Internet verwenden, werden professionell erstellt. Das kostet zwar alles in der Summe viel Geld, macht sich aber irgendwann bezahlt, auch wenn man es in Euro und Cent nicht immer messen kann.

Das Wichtigste dabei war aber die kontinuierliche Zusammenarbeit von Vorstandschaft, musikalischer Leitung, Grafikerin, Fotografin, Webmaster, Druckerei, etc. Da sind enge geschäftliche Beziehungen entstanden, die manchmal unbezahlbar sein können.

SINGEN: Wer Erfolg hat, hat Neider. Stört dich das?

Jörg Thum: Mich stört es dann, wenn dieser Neid auf dem Rücken meiner Sängerinnen und Sänger ausgetragen wird, die eigentlich nicht die Verantwortung für Entscheidungen tragen. Wir bekommen das schon immer wieder zu spüren. Aber auch das schweißt uns nur noch mehr zusammen. Grundsätzlich sollte man jedem mit Respekt für seine Leistung gegenüber treten. Es muss einem nicht immer alles gefallen und auch konstruktive Kritik ist etwas sehr Wertvolles, aber man sollte nie vergessen, dass wir uns im Amateurbereich bewegen, in dem die Mitglieder eines Vereins viel Zeit und Arbeit für ihr Hobby investieren. Da sind Neid und Missgunst sicherlich nicht angebracht.
 
SINGEN: Was haben diese letzten Wochen bei euch im Chor bewirkt, wie hat euch eure Stadt, wie haben euch die Medien unterstützt, nachdem bekannt geworden ist, dass ihr die Chance besitzt, im ZDF beim „Grand Prix der Chöre“ aufzutreten?
Jörg Thum: Der eigentliche Gewinn an unserer Teilnahme beim „Grand Prix der Chöre“ ist eigentlich das, was die Chormitglieder gemeinsam auf die Beine gestellt haben.

Wir haben zwei Wochen lang über 15000 Flyer verteilt, meistens verbunden mit einem persönlichen Gespräch, unsere Computer-Spezialisten haben unsere Internetseite „voting-tauglich“ gemacht und sogar via UMTS eine Voting-Station auf dem Marktplatz in Ludwigsburg installiert, damit auch die Bürger ohne Internetzugang für uns stimmen können. Dutzende Privataktionen der Sängerinnen und Sänger in ihrem persönlichen und geschäftlichen Umfeld haben die ganze Aktion abgerundet. Das ging soweit, dass wir sogar Stimmen aus Holland, China und Afrika bekommen haben….

Absolut unbürokratisch wurden wir auch vom Staats- und Kultusministerium Baden-Württemberg unterstützt, die uns in ihren Newsletter aufnahmen und auf der Startseite von www.baden-wuerttemberg.de verlinkt haben. Aber auch die Presse und unsere Heimatstadt Ludwigsburg mit Herrn Oberbürgermeister Spec und dem Blühenden Barock im Schloss Ludwigsburg haben alles für uns möglich gemacht: Alle Werbe-Aktionen wurden innerhalb weniger Minuten mündlich ohne viel Bürokratie freigegeben.

Und dann natürlich das Sängerland Baden-Württemberg: Dutzende E-Mails von aktiven Chören aus dem Ländle, Werbung auf der Internetseite des Schwäbischen Sängerbundes und des Chorverbands Friedrich Schiller, etc… Wir hatten das Gefühl, dass wir eine ganze Stadt, einen ganzen Chorverband und ein ganzes Bundesland in unserem Rücken haben. Schon alleine für dieses Zusammengehörigkeitsgefühl im Chor und im ganzen Bundesland hat es sich gelohnt, beim „Grand Prix der Chöre“ mitzumachen.

Das Interview für SINGEN führte Wolfgang Layer .

Archivnutzer_SingenundStimme_Blog, 14. Jun 2008, Chorverband Friedrich Schiller, gemischte Chöre, Kinderchöre, Nachwuchsarbeit, Regionalchorverbände, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.

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